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[Tag 020, 021 & 022] Hexen, Steiner, träg’ Gebeiner

Heute regnet es im Norden Sloweniens, Zeit, den Tourenbericht nachzuziehen. Seit gestern Abend liegt mit den Steiner Alpen eine weitere Gebirgsdurchquerung hinter uns.

Die Steiner Alpen sind für jemanden, der im Teletubby-Land der Kärntner Nockberge montanistisch sozialisiert wurde, eine großartige, spektakuläre Sache. Während die Hügel unserer Bergwelt sei Urgedenken unverändert und darüber hinaus mit weichen Almböden überzogen sind, bleibt in den porösen Südalpen auch 10000 Jahre nach der letzten Kaltzeit kein Stein auf dem anderen. Überall ist zu sehen, wie die Kräfte der Erosion am Kalkstock herumnagen. Außer natürlich, wenn der ganze Schotter noch unter einer Schneeschicht begraben liegt ….

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… oder dichte Nebelschwaden über die südlichste Spitze Österreichs ziehen. Für unsere 19. Etappe, die uns über zwei Sattel an der slowenisch-österreichischen Grenze an das westliche Ende der Steiner Alpen bringen soll, war bewölktes, jedoch stabiles Wetter vorhergesagt. Eine Prognose, die genau zutreffen sollte – auch wenn es anfangs noch nicht danach aussah.

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Bald nach dem Doppelpass an der Südspitze Österreichs wurde die Sicht besser und wir hatten schon bei der Mittagspause in der Kranjska Koca freie Sicht zum Gipfel der Skuta, 2532 m, in deren Nordflanke sich der südöstlichste Gletscher Europas befindet (das breite Feld in der linken Bildmitte).

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Die Schneefelder sind für diese Jahreszeit nicht untypisch. Zentrale Hütten, wie das Kocbekov dom im Süden der Ojstrica bekamen erst vor wenigen Tagen ihre Hubschrauberlieferung. Es ist also noch recht ruhig auf den Wanderwegen des Steiner-Massives. Der Slowenische Alpenweg, den wir ursprünglich für unseren Weg Richtung Westen vorgesehen hatten, ist sogar noch eine ganze Weile ohne Steigeisen nicht begehbar. Sehr aufschlussreich für uns war ein ausführlicher Tourenbericht von Wolfgang (danke!), dessen gute Dokumentation seiner Begehung Anfang Juli uns letztendlich dazu veranlasste, den Hauptkamm des östlichen Steinermassives nicht zu queren und uns stattdessen eine Route durch die (niedrigere) Nordseite zu suchen.

Die Grintovec-Gruppe, deren namensgebender höchster Gipfel am obigen Foto in der rechten Bildhälfte zu sehen ist, verließen wir Richtung Norden, um in Zgornje Jezersko um ein Quartier vorstellig zu werden.

Was sich als hervorragende Idee herausstellte. Denn im Norden der kleinen Ortschaft bot uns Tanja, die sich uns als die “Hexe von Jezersko” vorstellte, eine Bleibe für die Nacht an. Der Hausverstand sagt natürlich “lass deine Finger von Hexenhäuschen! Denn genau diese Finger werden dann täglich geprüft, ob bereits genug Speck am Knochen ist.”

Allerdings passte Tanjas Auftreten überhaupt nicht in das Bild, welches man gemeinhin von einer Hexe hat: Kein Buckel, in der Gestalt eher groß und drahtig, kurzes Haar. Wie man ihr auch insgesamt die 16 Jahre, die sie vor ihrem Einstieg in die Jezerskoer Gastronomieszene beim Slowenischen Militär verbrachte, gerne sofort glaubt. Sie duldete auch keinen Widerspruch, als sie uns ihren Zaubertrank – ein Likör aus 102 verschiedenen regionalen Blumen und Kräutern – zum Verkosten gab.

Kurz gesagt, wir haben uns den Abend über sehr gut unterhalten und bekamen sogar eine Hausbesichtigung. Am angeschlossenen Freizeitgelände entstehen neben dem bereits vorhandenen Campingplatz gerade mehrere winzig kleine “cabins” in der Größe eines Doppelbettes. Und bei unserem nächsten Besuch werden wir bereits im neuen Baumhaus übernachten können.

Irgendwann erzählten wir Tanja wohl auch, dass Astrid in einer Woche nach Wien zurückkehrt, und ich dann mit Zelt und Kocher Richtung Südtirol weiterziehe. Für meine Weiterreise abseits des B&B-Komforts gab mir Tanja eine selbst hergestellte, vollkommen biologisch abbaubare Seife mit auf den Weg. Danke nochmals an dieser Stelle, Tanja!

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Bevor wir den Steiner Alpen Lebewohl sagen, steht noch ein spannendes Bergprojekt auf dem Programm, nämlich die Überquerung der Krainer Storzic. Sein Namensvetter auf Kärntner Seite bildete 2010 den Abschlusspunkt unserer “Österreich Nord-Süd”-Durchquerung am Weitwanderweg 08.

Auch damals begann der Aufstieg eher gemütlich auf geraden, quasi ebenen Wegen …

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… doch ist die Waldgrenze erst einmal unter Dir, folgt meist das “Öha, a bisale is schon noch auffi”-Erlebnis.

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Aber alles halb so wild. Ein paar dunkle Wolken gemahnen zur Eile, sodass der Gipfel flugs erreicht ist.

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Auch an der Nordseite wird bei den Slowenen nicht lange herumgetrödelt – rasch geht es Höhenmeter um Höhenmeter quasi direkt wieder ins Tal hinunter. Der Abstieg erfolgt über den Grat quer durchs Bild zur Rinne rechts und hinunter zum Schotterfeld.

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Das Storzic-Haus gehört uns an diesem Abend ganz allein.

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Was wir nicht erwartet hätten, da am nächsten Tag ein Feiertag bevorsteht. Die slowenische Version eines guten Freundes, der am späten Abend in der Radlermontur rechtschaffen durschtig auf ein Bier vorbeikam und uns Tipps für die nächsten Tage gab, sowie ein Förster, der kein Wort Deutsch sprach, dafür aber aus voller Brust etliche slowenische Volkslieder intonierte, gestalteten gemeinsam mit dem sympathischen Wirt ein abwechslungsreiches Abendprogramm.

Am nächsten Morgen bereitet uns der Hexer vom Storzic ein Wildkräuteromelette zu …

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… sodass es uns, solcherart gestärkt, nicht schwer fiel, zur ersten Alm aufzusteigen. Im Hintergrund die nebelverhangene Storzic:

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Über einen aussichtsreichen Kamm gelangt man vom Gipfel Tolsti vrh nach Trzic, wo wir etwas außerhalb in Krize (Bildmitte) ….

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… einen Volltreffer landen: Unser Quartier ein altes Bauernhaus, auf Niedrigenergie umgerüstet.

Vorne raus Blick zum Triglav, hinten raus Blick in die Steiner Alpen. Rechts die Karawanken in Griffweite, und links freier Blick auf die Berge rund um Bled.

So ein Haus braucht natürlich Besitzer, die die Szenerie zu würdigen wissen: Barbara und Bostjan sind beide staatlich geprüfte Bergführer und kennen die Region entsprechend gut (was für ein Lebenslauf) . Es dauert auch nicht lange, und der Frühstücksraum sieht aus, wie ein Frühstücksraum aussieht, wenn vier Leute über slowenische Weitwanderrouten fachsimpeln …

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Und so nutze ich den karawankenseitigen Balkon, die Tour durch den Triglav-Nationalpark zu verfeinern und freue mich auf die kommenden Tage …

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… während draußen eine Gewitterfront über das Tal zieht und wir wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass wir unseren Pausentag nicht besser timen hätten können.

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Mahlzeit!

PS: Bitte um Verzeihung, dass bei den slowenischen Eigennamen die Akzente auf den Buchstaben fehlen – die Auswahl von Sonderzeichen gehört nicht unbedingt zu den Stärken meiner mobilen EDV-Lösung …

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Last modified: 29. Juni 2016
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