Written by 14:45 #sunnysideUP, Fernwandern, Frankreich, Tourtagebuch • 6 Comments

Acht – Osem – Otto – Huit

Die Etappe von St Etienne nach Roya gehört zu den Dingen, die man nicht gesehen haben muss.

Irgendwann musste er ja einmal kommen, der Tag, den keiner braucht. Kurz vor Acht stehe ich im Frühstücksraum meines sternelosen Nachtquartiers – vor einem vollkommen leer geplünderten Buffet. Die fünf älteren Semester, die mich am Vorabend wortlos vom Gemeinschaftstisch delogierten, weil sie den Platz für ihren Tetrapak-Wein brauchten, sind wie die Heuschrecken über das Dargebote hergefallen. Nur ein paar Teebeutel sowie ein leeres, umgeworfenes Saftpack’l zeugten davon, dass sich hier einst ein Buffet befand.

Nun, dass es bei Tisch einmal knapp wird, kann ja passieren. Dass ich den Hauswart dieser Jugendherberge jedoch förmlich beknien muss, auch mir noch irgendeinen Gegenwert zu dem bereits am Vortag bezahlten Frühstück anzubieten, verhieß bereits nichts Gutes für diesen Tag. “Kann ich etwas Kaffee haben? Ein wenig Milch? Gibt es noch etwas Brot? Und Butter vielleicht?” Begleitet von großem Zögern und latentem Widerwillen erhalte ich krümelweise mein petit déjeuner. Unzweifelhaft ist dem Wirt in erster Linie am petit gelegen.

Nächster Stopp: Die Tourismusinformation. Die hatte bei meiner Ankunft Ruhetag, doch am nächsten Tag um 9h wäre wieder jemand da, versprach das Schild an der Tür. Weil auf meiner Strecke bereits ein Quartiergeber nach dem anderen in eine Art postsaisonale Winterstarre verfällt, erschien es mir nämlich ratsam, die Stationen der kommenden Woche vorzubuchen.

Nachdem mich am Frühstückstisch wirklich nichts hielt, war ich bereits eine halbe Stunde vorher dort. Brav wartete ich vor der Tür – und sah der örtlichen Informationsbeauftragten bei wichtigen Telefonaten zu.

Um Dreiviertel steht sie plötzlich auf und kommt zur Tür. Doch, wie sich zeigen sollte, nur um hinauszugehen – und hinter sich abzusperren. Gut, denke ich mir, wird sie sich halt noch schnell ein Wurstsemmerl holen, bevor die Action losgeht.

Als sie um zehn nach Neun immer noch nicht zurück war, beginne ich – inzwischen schon etwas ungeduldig – die Vitrine abzuschreiten. Und was entdecke ich? Dieses Cretin hat einfach das Schild getauscht! “Heut ist zu, kommt halt morgen wieder.”

Und das, nachdem mir diese Gurk’n durchs Fenster eine halbe Stunde beim Warten zugesehen hat!

Na mehr brauchst nimmer.

Nachdem ich einem völlig unbeteiligten Franzosen aufgeregt mit Händen und Füßen mein Leid geklagt hatte, und er für meinen Weltschmerz nur ein lapidares “Sellerie” übrig hatte, war für mich die Zeit gekommen, funkensprühend diesen unseligen Ort zu verlassen.

Es folgte ein fader Asphalthatscher, dem eine noch fadere Serpentinenspirale durch unvorstellbar faden Wald folgte.

Auf halbem Weg gelange ich nach Auron, ein Wintersportort von beinahe sehenswerter Scheußlichkeit. “Trotz des gut entwickelten Tourismusangebotes bewahrt das Dorf Auron noch die Spuren einer älteren Geschichte”, ist der Tourismusverband (also das Mädel mit den flexiblen Arbeitszeiten) nicht verlegen, dieses Fegefeuer schönzureden.

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Dass der Abstieg nach Roya über eine schöne Hochalm mit Blick Richtung Mont Mounier verläuft, vermochte dieses Streichresultat nicht mehr zu retten.

Weshalb sich die Macher der Via Alpina hier inmitten des wunderschönen Nationalparks Mercantour zu einer derartig unverständlichen Wegführung hinreißen ließen, lässt sich eigentlich nur mit außerordentlichen Zuwendungen erklären.

Resümee: Einen Tag von hundert halte ich aus. Augen zu und durch, dann der nächste Tag lässt alles wieder vergessen.

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Schlagwörter: Last modified: 1. Oktober 2016
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