Written by 08:19 10 Rupertiweg, Österreich, Kärnten, Mehrtagestour, Tourtagebuch • 5 Comments

Rupertiweg 10: Reißeck-Höhenweg

Außergewöhnliche 2 1/2-tägige Alpintour im Nordosten Kärntens.

Die schnellste Möglichkeit, sich einen Begriff vom Reißeck-Höhenweg zu machen: Man sucht sich auf der Landkarte Kärntens den attraktivsten Gehweg zwischen Mallnitz und Spittal an der Drau. Voilà, da isser!

Reißeck-Höhenweg von Bahnhof zu Bahnhof – (c) alpenvereinaktiv.com

Startpunkt für die Überquerung der Reißeckgruppe ist im Normalfall Mallnitz. Die Beschilderung des Weitwanderweges 10 setzt am Bahnhof ein…

… und führt ohne irgendwelche Probleme in etwa 4 Stunden zum beeindruckenden Arthur-von-Schmid-Haus, einem per Hubschrauber versorgten Schutzhaus mit autarkem Kraftwerk und eigener Kläranlage.

Ohne diesen Stützpunkt ist eine Überquerung der Reißeckgruppe kaum denkbar, da sich die ohnehin sehr lange “Königsetappe” am zweiten Tag um weitere vier Stunden verlängern würde.

Hüttenwirt Hans Fleissner ist zwar nicht seit 1911 im Amt, aber fast. Mehr als zwei Jahrzehnte betreibt er bereits diese wichtige Nächtigungsstation am “10er”, vulgo Rupertiweg. Am Ende dieser Saison ist Schluss. Was er in Zukunft so vorhat? “Viel wandern gehn! Ich möchte im Sommer draußen auch einmal mehr als 12 Grad haben!”

Am nächsten Morgen bekomme ich ordentliches Frühstück, dazu ein Lunchpaket, und los geht’s Richtung Reißeckhütte:

Erstes Ziel ist die Seescharte auf 2650 m Seehöhe, das ist die breite Kerbe etwas links von der Bildmitte. Dort oben werde ich mich in knapp einer Stunde an die exakte Stelle erinnern, an der in der Hütte meine Jacke hängt.

Warum bin ich nur so eine harte Sau“, sinniere ich im Dialog mit meiner inneren Ruhe am Weg retour. “Wäre ich ein handelsübliches Weichei, wäre mir schon viel früher kalt geworden ...”

Irgendwann stehe ich trotz aller Widrigkeiten doch noch auf dem Seeschartl. Der Blick zurück auf das inzwischen sonnenbeschienene Dösener Tal entschädigt für die Unannehmlichkeiten. Ganz klein rechts von der Österreich-Flagge die Hütte (Klick aufs Bild zum Vergrößern):

Visavis ist das leicht angezuckerte Säuleck zu sehen. Der Dreitausender ist das Tagesziel aller anderen Hüttengäste…

… doch der Höhenweg gehört mir heute ganz alleine. Nächstes Ziel Kaponigbiwak, Schwierigkeitsgrad silber.

Dank leichtem Gepäck kann ich bis dorthin bereits eine halbe Stunde wiedergutmachen, was paradoxerweise die Jacke mehr als überflüssig macht. Kurz vorher gibt es erstmals Wasser (bei N 46°58.603 E 013°17.731)

Weiter geht’s aufs namengebende Kaponigtörl, von dem aus das Biwak allerdings nur mehr dann zu sehen ist, wenn man weiß, wo man hinschauen muss.

An den Markierungen hier hat sich der Zahn der Zeit festgebissen …

…  und so bin ich Erstbegeher einer völlig neuen Route aufs Törl. Auf der anderen Seite zeigen sich plötzlich ganz klein die Gießener Hütte (rechts, von der Bergspitze hinunter bis zum Schatten bzw. der Baumgrenze – man kann den Zufahrtsweg erahnen) samt Hausberg: Die Hochalmspitze ist mit 3360 m Seehöhe Kärntens höchster Berg, an dem kein anderes Bundesland Anteile hält.

Am Zwenberger Törl gibt’s auf 2760 m eine ausgedehnte Pause. Nahe am Kamm geht es dann in südöstlicher Richtung weiter.

Der Kernabschnitt des Reißeck-Höhenweges ist 16 km lang und führt nahezu ausschließlich über Geröll und Blockgestein. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, tritt man an diesem einen Tag etwa 30 000 mal hart auf. Weshalb man bald eine sehr sensible Wahrnehmung dafür hat, welch unglaubliche (ehrenamtliche) Arbeit die Alpenvereinssektionen Graz, Spittal und ÖGV hier geleistet haben, um eben diese Tritte möglichst waagrecht ausfallen zu lassen.

Eine nicht zählbare Menge an schweren Gesteinsbrocken wurde hier zu Stufen oder Steigen durch die Blockgesteinshalden geschlichtet. Ich bin überzeugt davon, dass die Begehung dieses Abschnittes ohne diese Erleichterung an einem Tag nicht möglich wäre.

Das Ungewöhnlichste da oben: Heute ist es windstill, und ich höre neun Stunden lang NICHTS. In dieser Mondlandschaft gibt es keine hörbare Tierwelt und keinerlei menschliche Eingriffe: Keine Hütten, keine Stromleitungen, nichts.

Nur absolute Stille.

Wer einem Alpenvereinsschlüssel dabeihat, kann gegen Ende der Tour bei der unbewohnten Oberen Mooshütte übernachten. Für mich stand jedoch im vornherein fest, dass ich die Nacht in der Reißeckhütte verbringe. Das jahrzehntelang sehr gut besuchte Schutzhaus blickt nach der plötzlichen Stillegung der Reißeckbahn einer ungewissen Zukunft entgegen.

Zurück zum letzten Pausenplatzerl am Moosboden – mit Blick hinunter ins Mölltal bzw. in die Kreuzeckgruppe …

Vom “Moos” kommt man in einer knappen Stunde zur letzten Erhebung dieser Tour – nur das Riekentörl steht nun noch zwischen mir und meinem Abendessen.

Sehr schön der Rückblick vom Törl zurück auf die letzten zwei Stunden:

Der letzte Kilometer zur Hütte ist dann nur mehr Formsache. Bei den sympathischen Wirtsleuten fühle ich mich gut aufgehoben, und mit den anderen Gästen plaudert sich’s sehr nett, bis ich um ca. 21 Uhr w. o. gebe.

Am nächsten Morgen noch ein Rückblick auf den Lost Place Reißeck. Das Hotel wird wohl in Bälde abgetragen. Noch vor 3 Jahren wuselten hier täglich über 1000 Besucher herum.

Um nach Spittal zu kommen, muss man zuerst hinauf zur Roßalmscharte, 2500 m, von wo aus man das Tagesziel im Morgendunst bereits erahnen kann.

Am Weg ins Tal: “Jössas, Menschen!”

Nach einem längeren Asphalthatscher vom Hühnersberg hinunter zur Bundesstraße wird es kurz vor Spittal noch einmal unerwartet grün …

… bevor man recht unvermittelt auf die ersten Häuser am Stadtrand trifft. Etwa eine halbe Stunde später findet man sich am Bahnhof wieder, von wo aus man bei Bedarf in kürzester Zeit nach Mallnitz zurückkommt.

Toureninfos für unterwegs

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Schlagwörter: Last modified: 2. April 2023
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