2012 ging sich ja bekanntlich nur eine lange Wandertour aus, die hatte es allerdings in sich. Wir haben die Karlhütten-Zwischensaison genutzt, um dem brandneuen, knapp 800 Kilometer langen Weitwanderweg namens Alpe Adria Trail zu Leibe zu rücken. Obwohl die Tour fein säuberlichst dokumentiert wurde (Wanderführer – Rother Verlag – nähere Infos hier), ein kurzer Rückblick.
Wir schreiben den 09. Juni 2012, und es ist vollbracht: Drei Staaten und rund 26.000 Höhenmeter liegen hinter uns: Der Alpe-Adria-Trail ist bezwungen! Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Es waren 23,500 Höhenmeter hinauf und 26.000 Höhenmeter runter. Immerhin konnten wir unsere Tour auf knapp 2.500 m Seehöhe starten und dann ein Monat lang sanft aufs Meeresniveau hinunter gleiten. Das ergibt rund 700 Höhenmeter pro Tag – auf ein Hochhaus umgelegt, entspricht das einer täglichen Tour vom Erdgeschoss hinauf in den 200sten Stock.
Als wir Anfang Mai unser Ränzlein schnürten, lagen alle Kärntner Zweitausender gerade frisch im Neuschnee. Was uns dazu bewog (besser: zwang), die Tour in zwei Teile zu schneiden und weiter südlich zu beginnen. Nicht der ehrwürdige Glockner, sondern der imposante Mittagskogel sollte also bei den ersten (von ziemlich genau einer Million) Schritten Pate stehen.
Start an Kärntens Südgrenze
Der (frühe) Zeitpunkt für den Start in Richtung Slowenien war nicht unbedingt das Kind besonders kluger Planung, sondern eine Notwendigkeit: Ein paar Wochen später beginnt in den Nockbergen die Wandersaison. Und da hat ein Hüttenwirt zu wissen, wo sein Platz ist. Der Zeitplan war also von Anfang an ein straffer, und daher starteten wir an jenem 04. Mai ins Abenteuer. Wofür wir auch umgehend mit drei Regentagen bestraft wurden, die sich (und uns) gewaschen haben!
In Bovec, also am Südrand des Triglav-Nationalparks, hatten wir erstmal genug vom Regen. Das war auch die Zeit, wo ich einen tragischen Verlust hinnehmen musste: Tags zuvor missbrauchte ich eine Vorhangstange als Trockengestell für meine seit Tagen vom Regen gebeutelten Lieblingswandersocken. Und ebenjene Socken, die da nachtsüber auf 2 Meter Höhe vor sich hin baumelten, entzogen sich am Morgen des nächsten Tages meines Routine-Kontrollblickes beim Check-Out. Ade, ihr treuen Wegbegleiter!
Ab Bovec ließen uns dann Azoren und Adria mit ihren Ergüssen in Ruhe, und es sollte über eine Woche dauern, bis der Regen das nächste Mal in die Etappenplanung eingriff. So konnten wir unbehelligt über Tolmin in die italienisch-slowenischen Weinregionen vorstoßen – nicht ohne in jedem der Anbaugebiete abends den jeweils regionstypischen Tropfen zu verkosten.
Zu Besuch beim Nachbarn
Schöne Tage waren das! Immerhin reichen die Weinstöcke bis an die Tore von Triest, also bis zum Ende des südlichen Abschnittes. Als besonders bemerkenswerte Sorte wird uns der Cabernet Franc aus dem Collio in Erinnerung bleiben. Viel mehr hamma uns leider nicht gemerkt 😉
Überhaupt kann man am Alpe-Adria-Trail – egal auf welche Etappe sorgenfrei davon ausgehen, dass man in kulinarischer Hinsicht für jede einzelne eingesetzte Kalorie reichlich entschädigt wird! Es muss also niemand fürchten, mit weniger Gewicht heimzukommen, als in das Abenteuer eingebracht wurden.
Daham ummadum
Der Kärntner Abschnitt begann, wie er beginnen musste: Mit heftigen Niederschlägen. Die ganze Hin- und Herplanerei, die ein Pausentag in Heiligenblut mit sich brachte, führte aber erfreulicherweise zu einem insgesamt sehr schönen Aufenthalt im Mölltal. Traumhafte wie gleichzeitig konditionell fordernde Etappen wechselten sich mit gemütlichen Unterkünften ab.
Die MillstätterSee/Nockberge-Etappen waren – weil Heimspiel – mit weniger Überraschungen, aber mit nicht minder schönen Tagen gespickt. Ein besonderer Glücksgriff ist der Abschnitt zwischen Langalmtal und Bad Kleinkirchheim: Schon auf der Normalroute stehen hier in zwei Tagen 6 Nockerl auf der Speisekarte! Und wer einen Extratag übrig hat, kann beispielsweise den Rosennock (höchste Nocke Kärntens) UND eine Runde in den einsamen Backyards der Nockberge (zB die Rabenkofel-Stileck-Langnock-Runde) mitnehmen, ohne gefährlich weit vom Kurs abzudriften.
Die letzten Tage …
Von Bad Kleinkirchheim trieb uns dann der vorletzte Gewaltaufstieg ausnahmsweise mal von den Thermen auf die Pisten, und nicht umgekehrt, wie es der dortige Tourismusverband empfiehlt. Für die rund 1.000 Höhenmeter hinauf zur Kaiserburg benötigten wir erstaunlicherweise nur 02:15 h. Was waren wir stolz, nach all den Kilometern noch in so großartiger Form zu sein! Wir gratulierten einander freudentränenreich und zwangen so die anwesenden Bergkameraden zu minutenlangen Ovationen.
Am Fuße der Gerlitzen bat uns der GPS Track ein letztes Mal, den Kopf in den Nacken zu legen und nochmals 1.000 Meter am Stück bergauf zu schnaufen. Man machte es uns aber auch dort nicht allzu schwer: Gemütliche Wege schlängeln sich da Richtung Gipfel, Steigeisen und Pickel konnten im Rucksack bleiben.
Zum Schluß kamen wir auch noch zu einer Drei-Seen-Runde der besonderen Art: Die letzten Etappen führen vorbei am Ossiacher See in Richtung Wörther See, und erreichen entlang der Drau den Faaker See. Dort endete am 09. Juni unser Abenteuer – wiederum am Fuße des Mittagskogel (den man übrigens von der Karlhütte aus sehen kann!). Und zwar genauso, wie es begonnen hatte: Strömender Regen begleitete uns auf den letzten Kilometern. Doch niemand konnte uns jetzt noch das gelbe Trikot nehmen: Als erste Wanderer überhaupt dürfen wir uns die Gesamtbegehung des Alpe-Adria-Trails in unser Gipfelbuch schreiben!
ist es vorstellbar als ungeübter wanderer , aber mit sehr guter kraft und kondi den trail in einem zug zu gehen?
mit hauptsächlich zeltübernachtung?
mfg a.s.
Wie Du bewiesen hast, ja! 🙂
(Anmerkung: Albert Seltenheim hat den Weg 2013 zur Gänze gemacht, wir sind seit diesem Posting oben in Kontakt, und durften daher die Tour mitverfolgen.)
Ich habe heute zum ersten Mal vom Alpe-Adria-Trail gehört und gelesen und bin interessiert daran, ihn bzw. einen Teil davon am Stück mit Zelt zu wandern (den ganzen würde ich gern, aber mangels Zeit/ Urlaub ist das schwierig…) Kann man über Albert Seltenheim Informationen bzgl. Möglichkeiten zum Zelten erhalten?
Vielen Dank vorab für eine Antwort und LG aus Thüringen
steve
Albert hat nach den ersten Etappen im Mölltal das Zelt nachhausegeschickt – die Temperaturen waren einfach zu nieder.