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[#E1NO] Vom Nordkapp aufs Festland

In der ersten Woche verlief soweit alles nach Plan. Ich habe sogar nichts mehr verschlampt. Und die  Essensvorräte haben genau für die bisher bestrittenen 100 km gereicht.

Am Nordkapp habe ich mich nicht allzulang aufgehalten. Beim Foto-Globus wurde ich Zeuge, wie ein Pärchen aus Köln zwei andere Kölner traf, UND DAS AM NORDKAPP. Ja ist das die Möglichkeit!

Na das war ein Hallo. Als ich die Szenerie verließ, haben sie sich glaubich gerade ihre Erstgeborenen versprochen.

Ich gönnte mir am Startpunkt die mitgebrachte Supermarktdose Bier (4 Euro) und mache, dass ich weiterkomme.

Sehr lässig war gleich die erste Nacht am Strand. “Nacht” wird es derzeit ja nicht, ich werde übrigens vom Start weg 5 x 24 Stunden durchgehend Sonne haben. Eine Norwegerin meinte, eine so lange Schönwetterperiode hätte es zuletzt 1972 gegeben.

Beim erstem Frühstück unterwegs habe ich gleichmal die Wasserflasche mit dem mitgebrachten, kostbaren Zirbenschnaps verwechselt. Ein fataler Irrtum, der mir wenigstens schon beim Aufkochen auffallen hätte können, doch leider erst beim Verrühren des Kaffeepulvers augenscheinlich wurde. Alles zum Schmeißen. Tragische Szene!

Trotzdem wird mir der erste Zeltplatz im Norden wohl immer in Erinnerung bleiben, besser geht’s ja gar nicht. Und das erste Bad im 5 Grad kalten Nordpolarmeer vergesse ich sicher auch nimmer.

Morgens 6 Uhr früh, der Besucher vom Vorabend ist schon am Strand…

Rentiere sind übrigens meine ständigen Begleiter. zweimal schon haben mich wollknäuelartige Rentierjunge als ihren Erziehungsberechtigten auserkoren und sind mir quer durch die Tundra nachgehüpft (sic!), bis dann das tatsächlich zuständige Getier um die Ecke bog. Das war dann herzzerreißend! Aber nicht so, wie wenn sich zwei Kölner treffen.

Die jungen Rentiere machen übrigens sehr lustige Geräusche, find grad kein Video, muss ich einmal filmen.

Der Weg über die Insel Mageroya ist kein besonders hervorhebenswerter Auftakt für einen 7000 km langen Wanderweg. Die ersten zwei E1-Etappen Richtung Sizilien verlaufen nämlich beinahe ausschließlich entlang der Inselhauptstraße. An der höchsten Stelle der Strasse sieht man beinahe zu meinem weißen Sandstrand vom Vortag zurück. Der Zipfel, der von rechts in den Fjord reinsteht, isses.

Kurz vorm Nordkapptunnel ein letzter Blick zurück auf den “mageren Felsen” Mageroya – eine Insel, die kaum irgendwo über 300 Höhenmeter hinauskommt, sich klimatisch aber dennoch komplett oberhalb der Baumgrenze befindet.

Im 7 km langen Nordkapptunnel, den man entlang eines Gehsteiges auch zu Fuß durchqueren kann, mache ich bei einer Telefonzelle Pause. Von dort geht man die 200 Höhenmeter, die man auf der ersten Hälfte bei abschnittsweise 10 Prozent Gefälle unter dem Nordmeer hindurch gegangen ist, wieder zurück hinauf zum Meeresspiegel.

Wenige Meter nach dem Tunnel geht es nach zwei Straßen-Wandertagen jedoch sehr unmittelbar ins Gelände. Es gilt das erste Sumpfgebiet sowie den ersten Fluss zu queren. Menschliche Eingriffe, also Brücken, Steige, Bretter durch den Sumpf oder ähnliches gibt es nicht. In dem Bächen werden auch keine Steine umsortiert, um das Drüberhüpfen zu vereinfachen. Man sucht sich seinen Weg – oder zieht die Schuhe aus.

Zurück auf festem Boden: Seit 2013 gibt es zur Orientierung Steinmännchen. So lässt sich der “weglose Wegverlauf” von einem Geländepunkt zum nächsten nachvollziehen. Es ist allerdings nicht immer einfach, den einen wichtigen Stein in einer Landschaft, die nur aus Gras und eben Steinen besteht, zu erspähen. Ist ein bisserl ein Umlernprozess: Daheim sieht man von einer Markierung bereits die nächste, und reimt sich so den mittelbaren Wegverlauf zusammen. Hier brauche ich ständig eine Vorstellung des prinzipiellen Verlaufes, und freu mich, wenn die Steinmanderl das von Zeit zu Zeit bestätigen.

Die Landschaft selbst ist spektakulär. Bei “See 283” bleibe ich einen ganzen Nachmittag hängen, fange zwei Forellen und brutzle sie in brauner Butter heraus.

Um 18 Uhr zog ich weiter, bis ich um ca. halbelf wieder Blick aufs Meer sowie einen Zeltplatz mit Trinkwasser hatte.

Am nächsten Tag machte ich nur eine kurze Etappe, zu verlockend war die Aussicht auf eine Nacht in einer kleinen Hütte am See. Die Samen treiben hier jedes Jahr die Rentiere vorbei, und lassen diesen Notunterschlupf mit zwei Betten für Wanderer unversperrt.

 

Hier der Blick durch das kleine Fenster runter zum See, der übrigens um die 20 Grad warm war. Dafür behaupte ich jetzt einfach, dass in diesem See keine Fische drinnen sind – in zwei Stunden nicht ein einziger Zupfer…

Fast eine Woche bin ich schon unterwegs, als ich kurz vor Olderfjord durch meinen ersten “Wald” komme.

So eine Premiere kommt natürlich nicht alleine, ich komme auch am ersten Findling vorbei. Im Unterschied zu den heimischen Gebirgen, wo solche Brocken vom nächsten Berg runterfallen und sich kein Mensch darüber den Kopf zerbricht, frage ich mich schon: In welcher Kaltzeit, durch welchen Gletscher kam der denn wohl hierher?

Der Premieren nicht genug, passiere ich nach knapp 100 km auch meine erste Brücke…

Hier irgendwo ging auch mein Grossjedlersdorfer Speck pünktlich zur Neige – höchste Zeit, die Vorräte aufzufüllen.

Olderfjord ist ein winziger Ort am Porsangerfjord…

… bestehend aus Campingplatz, Hotelrestaurant und Tankstellensupermarkt, Punkt. Hier bekomme ich Rentierwurst. Und Spiritus – passende Gaskartuschen hätte ich hier nicht bekommen, da wäre eine zweistündige Busfahrt nach Alta vonnöten gewesen. Also hat sich die lange Recherche, was ich wohl eher kriege, also Gas oder Spiritus, letztendlich ausgezahlt.

Aja und mein Resupply-Paket ist rechtzeitig angekommen! , Wo alles für die nächsten Tage (außer Rentierwurst) drinnen ist.

Das war kriegsentscheidend, denn morgen beginnt der spannendste Abschnitt. Von Olderfjord sind es fast genau 100 Kilometer bis zu einer unbewirtschafteten Hütte, und weitere 25 km bis zur nächsten bewirtschafteten. Dort kann man aber nichts nachkaufen, weshalb ich essen für 10 Tage dabei hab. Mit dem Riesenrucksack im weglosen Gelände… keine Ahnung, wieviel km/h man da zusammenbringt. Wahrscheinlich werde ich öfters als sonst eine “Nachdenkpause” einlegen… 🙂

 

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Schlagwörter: Last modified: 25. Juli 2018
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