Mit Ausnahme des 2440 m hohen Rosennocks werden die Top Five der Nockberge vergleichsweise selten bestiegen. Viel beliebter als die Gruppenhöchsten sind die Gipfel, die von der Nockalmstraße aus bequem erreichbar sind. Am aller-aller-seltensten trifft man Wanderer auf Platz 3, dem 2408 m hohen Kilnprein. Von einer Traumtour durch die versteckteste Ecke der “Nocken”.
Dass man dort, an der Grenze zwischen Salzburg und der Steiermark, nur selten Wanderer trifft, ist nicht zuletzt der streng agierenden Forstverwaltung geschuldet, die Fußgängern, Schwammerlklaubern und allen anderen Eindringlingen schon am Beginn jedes Zuganges sinngemäß viele dicke Warzen auf den Hintern wünscht. Ohne Erlaubnisschein geht gar nichts, steht da zu lesen.
Weshalb man hier auch zur Kenntnis nehmen muss, dass im Steinbachgraben keine Wandermarkierungen zu finden sind und keine Rastbankerl aufgestellt werden dürfen. Und da es bei Rahmenbedingungen wie diesen schwierig ist, eine alpine Hütte zu bewirtschaften, gibt es in den nördlichen Nockbergen nahe der Bundesländergrenze (also zwischen Flattnitz und Schönfeld) auch keine einzige Alm-Einkehr: Zufahrtsverbote und die (in der ganzen Steiermark – und nur dort – üblichen) Jagdsperren verunmöglichen Hüttenwirten das (Über-)Leben. Darüber hinaus wird das Radfahren auf Forstwegen mit hohen Strafen geahndet.
Doch auch die Erbprinzen dieses Landes müssen glücklicherweise den Paragraphen 34 des Forstgesetzes von 1975 zur Kenntnis nehmen, der uns weniger adeligen Wanderern den freien Zutritt in die heimischen Wälder garantiert. Und so darf man auch unter den oben geschilderten Bedingungen guter Hoffnung sein, am Weg zum Gipfel des Kilnprein nicht sofort verhaftet zu werden.
Eine Traumtour, die vor den Vorhang gehört
Startpunkt für die geplante Überquerung ist der Ort Turrach (1269 m, OSM). Neben der Feuerwehr verläuft ein Asphaltweg über eine Brücke an das linke (orografisch rechte) Ufer des Steinbaches, wo der steinige Forstweg beginnt. Immer dem Bach entlang geht es den Steinbachgraben hinauf, bis man zu einem Bildstock kommt. Geradeaus weiter verläuft die unmarkierte, dennoch am öftesten gewählte Schitourenspur. Um die Ecke, also dem Forstweg entlang, gelangt man nach wenigen Metern zum alten Knappenhäuschen. Wer sich nicht für die Montangeschichte interessiert, kann meine Ausführungen dazu überspringen:
Obwohl die Geschichte des Bergbaus in der Turracher Gegend wesentlich weiter zurückreicht, begann man erst im 17. Jahrhundert mit dem Abbau nennenswerter Mengen. Fürst Schwarzenberg erhielt 1658 die notwendige Schürfkonzession, und ließ 1661 den ersten Stuckofen bauen.
Rund 250 Jahre lang dauerte die Epoche des Erzabbaues in Turrach an. Im Jahre 1660 nahm man den Bergbaubetrieb auf. 200 Jahre nachdem der erste Stollen in den Steinbachgraben geschlagen wurde, erreichte der Abbau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seine wirtschaftliche Hochblüte. Jedoch war Turrach mit einem Standortnachteil behaftet, der bald darauf den Niedergang der Eisenindustrie im Turrachgraben einläutete: Bedingt durch die hohen Abtransportkosten konnte das Turracher Werk mit dem Weltmarkt nicht mehr mithalten.
Ein weiteres Problem stellten die für die Verhüttung des Erzes benötigten enormen Holzmengen dar. Damals wurde Holz in den umliegenden Waldregionen gleich vor Ort zu Holzkohle verarbeitet, die dann zum Werk nach Turrach transportiert wurde. Das Fürstentum Schwarzenberg erweiterte die Waldbesitzungen in alle Richtungen – doch mit den Distanzen nahmen die Transportkosten linear zu. So mussten in den letzten Jahrzehnten teils weite Transportwege auf schwierigen Routen in Kauf genommen werden. Beispielsweise wurde Holzkohle vom Höllenberg bei Patergassen angeliefert – die so unterwegs die gesamte Turracher Höhe (knapp 1800 m Seehöhe) zu überwinden hatte.
Ein markanter Punkt der Werksgeschichte war im Jahre 1863 die Inbetriebnahme der ersten Bessemer-Birne auf Europäischem Festland. Mit dieser technischen Neuerung konnte in Turrach und Paal/Murtal der in ganz Europa begehrte, hochqualitative Paaler Stahl erzeugt werden.
Das Werk wurde – nach einigen Revitalisierungsversuchen Ende des 19. Jahrhunderts – im Jahre 1909 stillgelegt.
Nach weiteren 2 Kilometern kommt man auf die einsame Rosatinalpe. Interessanterweise heißt die “Rosatinalpe” auch bei der AMAP so. Was ungewöhnlich ist, ist der Begriff der “Alpe” im östlichen Ostalpenraum den geographischen Bezeichnungen vorenthalten (“Gurktaler Alpen”). Hier handelt es sich jedoch um eine landwirtschaftlich genutzte Hochfläche, die die Steirer und Kärntner bekanntlich als “Alm” bezeichnen.
Hier auf ca. 1700 m Seehöhe befand sich einst ein kleines Schigebiet, über dessen Geschichte man im Forum Gipfeltreffen interessante Einzelheiten erfahren kann (danke an User “herfri“, der sich extra für diesen Beitrag im Forum angemeldet hatte):
Das Haus Rosatinalpe gehört der Caritas Steiermark. Es wurde in den letzten Jahrzehnten als Jugend- und Ferienheim geführt. Vorerst stand auf der Rosatinalpe das alte Waldhaus (schräg gegenüber dem großen Gebäude), dann wurde der erste Teil das Ferienheims gebaut, das schließlich erweitert wurde. Später wurde dann die Sennhütte, die sich rechts oberhalb des Ferienheims befindet, gebaut. Anfangs gab es einen kurzen Lift auf der Wiese oberhalb des Hauses. Einige Zeit danach wurde dann der Lift auf den Geiger gebaut und in den 80-er Jahren der 1. Lift verlängert.
Das Haus stand seit den 60-er Jahren unter der Leitung der Familie Krobath aus Turrach. Zuletzt wurde es von Johann und Waltraud Krobath geführt. Besitzer und Pächter konnten sich bezüglich der dringend erforderlichen Renovierung nicht einigen, weshalb Johann Krobath vor einigen Jahren die Rosatin verließ und Pächter des Glocknerhauses wurde. Seit damals steht das Haus leider leer. Mich verbinden schöne Kindheitserinnerungen (Schiurlaube der Familie zur Osterzeit) an die Rosatin. In den 90-er Jahren waren wir noch mehrmals mit unseren eigenen Kindern sowie mit Freunden dort (Haupthaus bzw Sennhütte) auf Urlaub. Leider ist dies nun vorbei.
Die Caritas Stmk wollte die Mittel für die dringend erforderliche Renovierung (Dach, Fenster, Duschen, WC usw) und für die Erfüllung behördlicher Auflagen (Kanalisation bis ins Tal, Entsorgung der großen Öltanks, teilweise Erneuerung der Lifte usw) nicht aufbringen und bot das Haus der Familie Krobath zum Kauf an. Diese musste jedoch nach reiflicher Überlegung das Kaufangebot ablehnen. Die für die Rnovierung erforderlichen immensen Geldmittel waren nicht aufzubringen. Ein Kauf wäre nur nach zuvoriger Instandsetzung durch die Caritas wirtschaftlich vertretbar gewesen. Die Familie Krobath verließ die Rosatin und ist seitdem während der Sommermonate am Glocknerhaus (AV-Haus 2km vor der Franz-Josefs-Höhe).
Auch die Sennhütte wurde geschlossen, da behördliche Auflagen betr. des Brandschutzes nicht erfüllt wurden.
Die Caritas versuchte dann das gesamte Anwesen zu verkaufen. Investoren waren zur Stelle, die langwierigen behördlichen Verfahren zogen sich aber so in die Länge, dass die deutschen Investoren wieder absprangen. Letztlich entschied das Land Steiermark, dass die weitere Nutzung der Rosatin für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben muß. Dh kein Verkauf an Private, langzeitige Vermietung bzw touristische Nutzung!
Steht man in den Morgenstunden auf dieser Rostinalm, sieht der Blick zum Eisenhut so aus:
Das ehemalige Gästehaus, dessen Fenster zu eb’ner Erd’ heute größtenteils vernagelt sind, erinnert – bei Schnee – ein wenig an Steven Kings “Shining” …
Von der Rosatin gibt es einen direkten Aufstiegsweg zum Kilnprein. Vorbei am Gipfel des Geigers (2019 m, ehemalige Bergstation des Schilifts) geht es in direkter Linie zum Gipfel. Allerdings ist im letzten Abschnitt ein ausgesetztes Stück zu queren, welches ich bei Eis nicht gehen wollte. Also habe ich mich nach Alternativen umgesehen, und bin dabei auf das historische Herzstück der heutigen Tour, einen alten Versorgungsweg gestoßen, der die ehemalige Erz-Abbaustätte auf der Rosatin mit dem einst ebenfalls bergmännisch genutzten Steinbachsattel verbindet. Immer wieder stößt man auf Wegerhaltungsmaßnahmen, die man auf einem “Goas-Steig” normalerweise nicht sieht:
Unter dem Steinbachsattel erkennt man erstmals den Gipfel, das Kreuz versteckt sich jedoch noch hinter einer vorgeschobenen Anhöhe. Hier am Sattel haben wir bei meinem letzten Besuch gezeltet, um bei Sonnenaufgang am Gipfel zu sein.
Der Aufstieg erfolgt am südseitigen Rücken, der zu jeder Jahreszeit ungefährlich ist. Bei einem Wetterumschwung jedoch könnte man froh sein, dass sich hier jemand die Mühe gemacht hat, einen Notunter”stand” zu errichten – für Kopf und Bauch ist Platz, die Füße müssen leider draußen bleiben …
Am Gipfel des Kilnprein markiert das Kreuz den östlichsten Aussichtspunkt Richtung Eisenhut und Turracher Höhe, ein Steinturm hingegen zeigt den höchsten Punkt an.
Bei allen bisherigen Kilnprein-Gipfelsiegen bin ich wieder zum Ausgangspunkt abgestiegen. Heute jedoch wollte ich die Überquerung probieren, bei der man nach Predlitz absteigt. Dazu folgt man anfangs immer dem Bergkamm …
… und freut sich über die großartige Aussicht. Wie immer in den Nockbergen kann man sich gut an der Hochalm orientieren, die hier in der Bildmitte zu sehen wäre, würde ich endlich meine Spiegelreflexkamera von der Reparatur zurückbekommen 😉
Ein Rückblick zeigt mir erstmals den Kilnprein von seiner Nordseite. Spannend, denn er sieht von hier fast genauso aus wie von der Ostseite, die ebenfalls durch ein markantes Kar geprägt ist.
Ein zweiter Gipfel liegt am Abstiegsweg – vom Vorderhütteneck sieht man perfekt hinunter in den Turrachgraben, zum (Lachtaler) Zinken, zu den vier -ecken der Sölker Tauern oder rüber zum Preber, wo wir letzte Woche waren.
Weiter Richtung Norden kommt man auf eine Ansammlung privater Almhütten. Vis a vis ein weiterer Geheimtipp, der 2200 m hohe Tschaudinock. Mit diesem Panorama verabschiedete ich mich unter die Waldgrenze, von wo bis Predlitz noch weitere zwei Stunden zu veranschlagen sind.
Die Tour in Zahlen: 23 km, 1400 m Aufstieg, 1600 m Abstieg, 9 h inkl. mehrerer Pausen.
Du verwöhnst uns im Neuen Jahr ja ordentlich mit feschen Tourenberichten.
Wenn ich in den Weihnachtsferien so dürfen hätt, wie ich gewollt hab, tät ich das auch können! Grmpf.
Sieh’s einfach positiv – das ist wie beim Abnehmen: Wichtig ist nicht, wie man sich zwischen Weihnachten und Dreikönig aufführt, sondern wie’s zwischen Dreikönig und Weihnachten ausschaut.
Sehr toller Wanderbeitrag ! hat mir gut gefallen und die Bilder sind auch sehr schön
[…] der Heimat ist bereits deutlich zu vernehmen, glaube ich doch bereits schon wieder, überall den Kilnprein zu […]
Vor 57 Jahren habe ich meinen Mann (einen Amerikaner) aus der Rosatin kennengelernt. 50 Jahre sind wir nun glücklich verheiratet. Meine Erinnerung an dieses wunderschöne Fleckchen Erde!
Super! Gibt es denn noch Bilder von damals – würde mich sehr interessieren, wie es dort ausgesehen hat!
1956 war ich mit der 2. (oder 3. ?) Klasse des Realgymnasiums Villach zum ersten und letzten Mal auf der Rosatinalm (mit Spezialverpflegung aus englischen Beständen (? Cheddar), seitdem nie mehr. Wird Zeit, dass ich das mal wieder mache.
Es gab eine Rodelbahn von der Rosatinalm (wahrscheinlich die Zufahrtsstrasse) bis zirka ins Tal. – Lange her.