Die letzten Tage standen im Zeichen jenes Nationalparks, der sich in gepflegtem südländischen Understatement “Gran Paradiso” nennt.
Mein letzter Bericht brachte mich schon sehr nahe an das Aosta-Tal. Durch diese Furche zieht die Autobahn, die Genf durch den Mont Blanc Tunnel mit Turin verbindet.
Mein Weitwanderweg, die GTA, bleibt auch hier den Eselwegen treu und so trommelt diese Halsschlagader des europäischen Fernverkehrs einen oben kaum hörbaren Puls.
Mein Weg gleicht hier auf 300 m Seehöhe einem Managertraining: “Orientiere Dich an den ‘low hanging fruits’, um vorwärts zu kommen!”
Mailand, Genf, Turin, Lyon… hier liegt ausnahmsweise alles höher als mein Standort. Abgesehen von Start- und Endpunkt der Alpentraverse lag nur der Lago Maggiore niedriger.
Kulinarisch gehen im Piemont ebenfalls die Schleusen auf. Man kocht hier (a) gern, (b) saugut und (c) enorm viel. Man isst auf langen Tischen in Gesellschaft – und die Wirtin hört erst auf, riesige Schüsseln mit Delikatessen auf dem Tisch zu verteilen, wenn auch der letzte Gast seine bedingungslose Kapitulation verkündet.
Und Wein geht sowieso aufs Haus. Überhaupt kriegt jeder genug zu trinken, egal was. Nur als Beispiel – das kommt, wenn man hierzulande einen Caffè con Grappa bestellt:
Neue Themen bestimmen das Tischgespräch…
… und neben dem Schlangengebiet scheint man hier auch in dediziertes Mariengebiet vorzudringen.
Hier beispielsweise wird Maria angerufen, einer jeden Seele bei der sicheren Querung des Gebirgsbaches zur Seite zu stehen.
Die zur Sicherheit zusätzlich errichtete, etwa 20 Tonnen schweren Betonbrücke erfüllt ihren Job übrigens durchaus gottgefällig.
Wie auch diese Brücke, die in Fondo zu meinem bisher spannendsten Quartier führt: Eine Nacht lang gehört mir ein ehemaliges Albergo ganz alleine.
Ein Tempomacher begleitet mich seit einigen Tagen beim Aufstieg zum jeweiligen Pass des Tages. Feuchte Luftmassen, die von der Po-Ebene heraufziehen, stehlen einem ab ca Mittag die Sicht. Hier hilft nur frühes Aufstehen und die Flucht nach vorne.
Feuchte Luft bedeutet bedauerlicherweise auch feuchtes Gras. So sehr ich meine Merino-Volleder-Kombi liebe: Bei nassem Gras is sie … nun ja, nicht so toll 😉
Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche gewährt man mir am folgenden Abend neben einer Wallfahrtskirche einen Platz für die Nacht.
Mt. 7,7 gewährt mir Zugang zur Klosterküche, wo wir (seit heute drei Österreicher) von Signora Valentina stellvertretend für Matthäus ganz herzlich aufgenommen wurden (sinngemäß “Klopfet an, und Ihr dürft reinkommen.”)
Die Zimmer sind zweckmäßig und picobello sauber.
… und der Fensterblick entspricht der Szenerie.
Am nächsten Tag stoße ich ins Herz des Nationalparks Gran Paradiso vor. Irgendwie amüsiert es mich inzwischen, wenn ausgerechnet dann, wenn ich den Apparat aus der Tasche hole, mein Fotomotiv unter einer Wolke verschwindet 🙂
Viele in den letzten Jahrzehnten verlassene Dörfer erzählen eine Geschichte, in der Wörter wie ‘Landflucht’, ‘unglückliches Erbrecht’ oder ‘Turiner Landwirtschaftsindustrie’ vorkommen.
Übrig bleiben viele Steine.
Aber hey, Brombeeren!
Übrigens: Fast immer gehört das “große Paradies” mir ganz allein. Hier in diesem verlassenen Tal werde ich allerdings gleich eine sympathische Einheimische treffen, die mir von früher erzählt. Und von der Zeit, als ihr Großvater im Jahre 1952 die Kapelle links im Bild errichtet hat.
Ja und dann hab ich da noch ein Bild, das überhaupt nicht dazupasst.
Nur halt dass Ihr wisst, was auf Euch zukommt, wenn Ihr jemals auf die Idee kommen solltet, hierzulande einen Salat mit Büffelmozzarella zu bestellen.
Mahlzeit!
Bursche, ich fiebere mir Dir ja mit.
Tolle Bilder, tolle Geschichten, man bekommt Gusto.
Aber ich muss ja den Südalpenweg herunterspulen. Bin aber schon fast fertig.
Trotzdem nicht soo fleißig wie Du.
Herzlich
Wolfgang
Am Ende des Südalpenwegs (gen Westen) einfach weiterlaufen.
Erfahrungsmäßig kommt man dann genau dort raus 😉
K2.
Geht er sich heuer noch aus, der 03er?
Merino-Vollederkombination zusammen mit feuchtem Gras verstößt ziemlich sicher gegen die Genfer Konvention. Stinkbombe Hilfsausdruck
ich habe meine Kombi letzthin fast über den Jordan geschickt
Nachdem ich meinen ersten Teil schon abgeschlossen habe, fiebere ich mit dir mit, wann du in Monaco ankommen wirst. Lass mich raten: du hast ein Kuvert mit #1 gefunden, nach der ersten Etappe 😉
lg Volker
Das mit der #1 stimmt bestimmt nicht: Wäre viel zu durchschau- und berechenbar 😉
K2.
Nach der ersten Etappe in Söding war ma froh, dass ma das Quartier gefunden haben!
Nach dem ersten Abschnitt hingegen kam der Mafiaboss persönlich, um sich anzusehen, wer da in seinem Spuren wandelt!
Aber ganz verstehe ich das nicht.Leder kann man doch auch imprägnieren?!
Da war ich eh brav, aber ich glaube, der Schuh ist einfach sowieso nicht wasserdicht. Komfort super, aber bei Nässe zum Vergessen.
Lieber Martin!
Vielen Dank das Du uns “daheimgebliebene” mit Deinen tollen Berichten und Fotos an Deinem Trail teilhaben lässt!
Finde es total genial das Du das machst!!!
Bitte lass mich oder uns wissen wann Du ein Buch darüber fertig hast…
Ich wünsche Dir weiterhin noch eine tolle Reise, viele Motive und interessante Personen!
Glg Carmen
Nur wenn ich im Tausch wieder was Schönes für die Wohnung kriege!
Üblicherweise kann ich Dir ja immer nachvollziehbar bei Deinen Schilderungen zustimmen und in Erinnerungen schwelgend folgen, allerdings solltest Du eine Aussage wegen nur sehr lokaler Anwendbarkeit* überdenken:
“Übrig bleiben viele Steine”
“Trattoria del Ponte” mit den zwei 3-Bett-Zimmern ist in Fondo wohl gar nicht mehr bewirtschaftet ?
K2.
* Relation “viele Steine”: https://www.geocaching.com/geocache/GCJNWJ_nothing-but-stones
Doch, noch gibt es die Trattoria, wir waren aber zu viele, und wurden deshalb gleichmäßig im Ort verteilt.
Apropos ich wollte dir noch die Quelle für mein “from now on it´s gonna be easy sailing”-Zitat zukommen lassen https://www.youtube.com/watch?v=65d4hVZllcA
Ist im Artikel eh verlinkt!
Na dass ist ja mal ein ordentlich verbesserter caffè!
Dein Blog ist immer wieder erfrischend zulesen
PS:
bussate – Ihr klopft an
Bin z’faul zum Nachschauen g’wesen, und falsch g’raten a no 🙂
Grazie!