Written by 18:40 #sunnysideUP, Fernwandern, Italien, Tourtagebuch • 7 Comments

[Tag 090 – 094] You can call me Al

Nach 65 Tourentagen werde ich morgen Italien verlassen, und auf der französischen Seite der Grenze dem Weg Richtung Meer folgen.

Die letzte Woche war schön, aber eingangs ein bisserl mühselig. Nie war klar, ob ich am Abend wirklich dort rauskomme, wo ich hinwollte. Denn der unerwartet heftige Herbstschnee sorgte für Probleme an den höher gelegenen Passübergängen.

Der Montag nach den Schlechtwettertagen sollte allerdings  außerordentlich gut werden, also beschließe ich, gleich zwei Etappen zusammenzulegen.

Am ersten Passübergang lag tatsächlich ein wenig Schnee, aber der war wurscht. Außerdem entschädigte der Blick zum Monviso für die nassen Patschen.

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Es wird allerdings das letzte Mal gewesen sein, dass ich diesen “meinen” Berg sehe, der mir über mehrere Wochen den Weg nach Süden angezeigt hat. Doch das wusste ich am ersten Pass des Tages noch nicht.

Auch beim Rifugio Barbara Lowrie wies noch nichts darauf hin, dass ich am nächsten Tag nicht zu den Po-Quellen im Osthang des “von überall sichtbaren Berges” (daher der bereits von den Römern verwendete Name Monte Viso) vordringen werde können.

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Doch 750 Meter oberhalb des Rifugio Barbara komme ich zu der Einsicht, dass meine zweite Scharte des Tages heute ein Problem darstellen könnte (im nächsten Bild rechts). Schon auf meiner Seite recht knackig im Finale, und wer weiß, wie steil es auf der anderen Seite runtergeht. Normalerweise wohl kein Problem, doch mit meiner (auf sommerliche Verhältnisse ausgelegten) Ausrüstung habe ich in steilen Neuschneehängen nichts verloren.

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Also wieder zurück zur Barbara. Dort gibt es einen Wandererparkplatz, und so hoffe ich, dass mich von dort jemand mitnimmt. Wohin, weiß ich beim Abstieg selbst noch nicht. Ich muss irgendwie um den Berg herum, doch das bedeutet hier in dieser zerfurchten Berglandschaft zumindest eine halbtägige Busfahrt: Raus in die Po-Ebene, und von dort über den nächsten regionalen Verkehrsknotenpunkt ins Nachbartal – 3x Umsteigen, 3 Stunden reine Fahrzeit).

Doch in Italien lässt man dich bei einem Problem nicht im Regen stehen. Father Al, Texaner von Geburt, doch seit mittlerweile 10 Jahren für die gottesfürchtigen Seelen Pinerolos zuständig, bietet mir einen Platz in seinem berggängigen Fiat an. Dank seines Fahrstils – einer erfrischenden  Mischung aus den Blues Brothers (“A Mission from God!“) und Roberto Begnini in Night on Earth fand ich mich nur eine Stunde später erstaunlicherweise auf der anderen Bergseite wieder.

Vielen Dank nochmals dafür, Father Al!

In Paesana war ich zwar weit von der französischen Grenze weg, konnte aber von dort aus zwei Tage lang unter der Schneegrenze nach Süden weiter wandern.

Den Po querte ich etwa 20 km vom Ursprung entfernt (rechts vom Schild der Monviso).

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Der Weg nach Sampeyre erinnerte mich sehr an die heimatlichen Nockberge.

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Der folgende Tag ist zwar weniger freundlich, aber was soll’s, es ist Ende September!

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Und weil ich nie über das Wetter jammere, werde ich in der Regel tagsdrauf umgehend mit einem Hochdruckfenster belohnt.

Wir auch hier, wo mir von Elva ein wunderbarer Wandertag zurück Richtung Frankreich vergönnt war. Nockberge im Piemont…

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… und immer noch viele Kühe. Die haben bei uns daheim bereits den Weg ins Tal angetreten. Hier verträgt die Grasmatte auf der Hochalm zwei Wochen mehr, aber bald ist auch im Piemont Schluss.

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Mit mir im Val Maira unterwegs sind Grit und Frank aus Leipzig. Wieder brauche ich mir um Betreuung im Bedarfsfall keine Sorgen zu machen: Sollte ich der deutschen Muttersprache verlustig gehen, sind die beiden Sprachtherapeuten zur Stelle.

Und sie sprechen erfreulicherweise in jeder Hinsicht meine Sprache.

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Das Mairatal, dessen Maultierwege wir gerade abschreiten, ist ein Juwel…

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… sodass mir der Abschied aus Italien, der nun unmittelbar bevorsteht, nicht leicht fällt…

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… ich genieße meine Lieblingsjahreszeit, den farbenfrohen Herbst….

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…. und werde bei den allerletzten piemontesischen Bergdörfern auf meiner Tour zugegebenermaßen auch ein wenig schwermütig…

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…. denn morgen heißt es Abschied nehmen von (a) der Grande Traversati dei Alpi, (b) vom Piemont, und – nach 65 unvergesslichen Tourentagen, von Italien. Denn hinter diesem Talschluss wartet Frankreich.

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Mein letztes italienisches Quartier steht für das ganze Land: Entspannt, sympathisch, lässig. Ich treffe am Nachmittag ein, bestelle ein Bier, bekomme ein selbstgebrautes IPA – und dazu vom Chef – einfach so aufs Haus – einen Gustoteller vom Feinsten.

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Ich werde Italien vermissen.

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Schlagwörter: Last modified: 4. Februar 2017
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