Written by 08:48 06 Mariazellerweg, Österreich, Burgenland, Niederösterreich, Steiermark, Weitwandern • 4 Comments

Von Salzburg nach Sopron (Teil III)

Der Salzburger ist glaubich nicht der längste, und der Burgenländer ist glaubich nicht der kürzeste aller Wallfahrtspfade nach Mariazell. Mir ist’s aber eh wurscht, ich will nach Sopron – und darum geht’s im dritten Teil der Reise.

Den Anfang macht heute Herta. Sie musste sich schon in der Schule so einiges von ihren Klassenkameraden anhören. Heute lebt sie eher zurückgezogen nahe Puchberg am Schneeberg, wo zwischen Herta und mir schon zu Beginn meines Berichts Einvernehmen darüber herrscht, dass wir beide ein schweres Pinkerl zum Tragen haben.

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Auch auf den letzten paar Tagen – bis Sopron sind es von Mariazell aus nur mehr rund 170 Kilometer – muß ich mich mit der Tatsache abfinden, dass es nun halt schon November ist, und mir die Natur ihr abweisendes, winterliches Antlitz entgegenschleudert.

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Seit Mariazell befinde ich mich am Burgenländischen Mariazellerweg. Und das als Geisterwanderer in umgekehrter Richtung, nicht zuletzt, weil mir die Gnadenmutter buckelseitig doch am nächsten ist.

Anfangs war er ja gar nicht markiert, der Pilgerweg, als ich an der steirisch-niederösterreichischen Grenze ein knappes Jahrhundert nach Ende der Monarchie adeligen Großgrundbesitz durchstreifte. Anhand der Qualität der Markierungen lässt sich gut ablesen, wie gern oder ungern man auf einem Forstweg, der zu 45 Prozent aus Bundesgeldern finanziert wurde, geduldet ist. Mitunter sehen es die Grundbesitzer nämlich gar nicht gerne, wenn Wanderer mit ihrem schwerem Schuhwerk tiefe Gräben in die Fahrspuren ihrer Harvester schnitzen.

Doch das alles liegt nun hinter mir: Die Bucklige Welt zeigt sich uns Wanderern gegenüber immer schon sehr freundlich. In kaum einer Region gibt es so viele Mehrtagestouren auf vergleichsweise kleinem Raum wie hier. Auch dem letzten Neuzugang, dem rund 300 km langen Wiener Alpenbogen, begegne ich unterwegs. So gelingt es mir langsam, mich ohne größere Umwege von einer Markierung bis zu nächsten durchzuhanteln.

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Den Landschaftshöhepunkt zwischen Puchberg und Pitten bildet die Johannesbachklamm. Den Klammwirt’n, der laut Türschild bis Ende Oktober offen hat, lerne ich nicht kennen – denn immerhin ist ja schon der 31. Oktober, und da kann ja nun wirklich niemand verlangen, dass jemand, der auf seiner eigenen Haustür seine Anwesenheit bis Monatsende kundttut, auch wirklich immer noch da ist.

“Klamm” – also laut Duden Adjektiv – 1. [noch] leicht feucht [und daher …2. durch Kälte steif ist hier im Spätherbst vor allem der Johannesbach – dennoch ist’s hier sehr fein und ich gebe mich beeindruckt von der unerwarteten Szenerie, immerhin ragen die Wände hier für niederösterreichische Verhältnisse recht weit in den Himmel hinauf.

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Auch Joseph Kyselak zeigte sich von der Johannesbachklamm beeindruckt, wie man an seinen unverwechselbaren Insignien ablesen kann. Wo auch immer Joseph hinkam, und es ihm gut gefiel, hinterließ er seinen Namen. Er gilt daher als erster Graffittikünstler dieses Landes.

Die Klamm, die einst den Bergleuten am Schneeberg als kürzester Weg in die Arbeit diente, wurde 1902 von den Naturfreunden durchgeputzt, ausgekehrt und aufgewischt – und darüberhinaus mit gemütlichen Stegen ausgestattet. Es ehrt die Arbeit der Naturfreunde, dass Joseph Kyselak, der bekanntlich in Österreich viel herumkam, auch diesem schönen Ort einen Besuch abgestattet hat …

SaSo3-5 (Large)… und das allen Widrigkeiten zum Trotz – hatte er doch bereits 70 Jahre vorher das Zeitliche gesegnet.

Auch andere Schilder in der Schlucht berichten von einer bewegten Vergangenheit:

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Irgendwann nahm das Schluchtzen ein Ende, und eine weite niederösterreichische Ebene, die dem westlichen Rand des Wiener Beckens zugerechnet wird, öffnet sich. Also nicht ganz: Beeindruckend, mit welcher – gartengestalterisch originellen – Konsequenz man hier den Mitmenschen signalisiert …

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… dass einem seine Privatsphäre wirklich sehr am Herzen liegt.

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So war es mir ein Leichtes, unbemerkt weite Teile Niederösterreichs zu durchstreifen, denn sehen konnte mich auf den Wegen zwischen Würflach und Pitten eigentlich niemand. Dieser Abschnitt war übrigens “unerwartet” schön – denn wer den Burgenländischen Mariazellerweg an der Asphaltfolter im Halltal misst (siehe Bericht II), tut ihm unrecht.

Am Weg nach Pitten ging es sich haarscharf aus, dass ich zur Abwechslung wieder mal ohne Taschenlampe ins Quartier gefunden habe. Diesmal beendeten die Sonne und ich den Tageslauf ziemlich gleichzeitig.

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Die Nacht in Pitten war von unterschiedlichen Eindrücken geprägt. Einerseits war da das sehr gute Essen und ein unerwartet gutes Bier, welches zum gedeihlichen Tagesausklang sein Scherflein beitrug. Unerwartet gutes Bier deshalb, weil ich den ganzen Tag über schon Sorge in mir trug, dass aus Pitten womöglich das “Pittinger” herkommt. Das entpuppte sich dann aber glücklicherweise als dummer Trugschluss, und so beschloss ich, dieses Glück, das ein Mensch allein nur schwer ertragen kann, zu genießen, bis mir die Äuglein zufallen würden.

Da wusste ich allerdings noch nicht, dass sich heute Nacht im Nachbarzimmer, von dem mich nur eine Fusuma-ähnliche Konstruktion trennt, ein russisches Pärchen über gefühlte 11 russische Zeitzonen lang die Seele aus dem Leib “körpern” würde, wie Freund Herfried sich auszudrücken pflegt.

Der nächste Tag begann versöhnlich.

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Heute gilt es, einige Höhenmeter zu machen, um die Burgenländische Landesgrenze an ihrer widrigen Westflanke zu durchstoßen. Von allen Seiten, die es dem Wandersmann ermöglichen, ins Burgenland einzufallen, ist der Aufstieg zur Rosalia der wohl härteste. Nicht dass hier Gefahr bestehen würde, ohne Seilsicherung ins Verderben zu stürzen …

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… dennoch geht es unerwartet lange unerwartet weit nach oben. Doch: Das Stück von der Buckligen Welt auf die Rosalia war wieder ein völlig neuer, bunter Abschnitt auf dieser Tour und ich war happy – viel Laub flog durch die Luft, rotgoldgelb, knisterknaster, eh schon wissen.

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Teil III der Tour, und es folgt schon wieder ein Foto ohne Leute drauf. Dass, was mir meine fachkundigen Freunde in der Tourismusbranche in hohem Bogen zurückwerfen würden, ist für mich heute Ausdruck großer Lebensfreude – Ja, es war außer mir _wirklich_ niemand unterwegs – aber ich habe gelernt, damit umzugehen.

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Ganz anders in Forchtenstein, an einem sonnigen Sonntag, dem 1. November 2015. Die Tour heute war etwas kürzer, und so beschließe ich, die verbleibenden 1-2 Sonnenstunden am Wachturm der Burgtaverne ausklingen zu lassen, bevor ich bei unserem, seit Jahrzehnten als einziges Basislager für Weitwanderer diensthabenden Gasthof Sauerzapf um ein Gemach anklopfe.

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Tags darauf mache ich nach dem Frühstück einen kleinen Umweg, um die Burg bei meinem (nach Zentralalpenweg und Ostösterreichischem Grenzlandweg) dritten Zu-Fuß-Besuch auch einmal im Ganzen zu sehen …

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… und gerate so in die Hügelwelt rund um Wiesen – den Älteren vom Jazzfest, den Jüngeren wegen anderer Krawallstopp’l bekannt. Mich begeistert ein Baum …

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… und deren mehr …

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… und “stibitze“, wie Freund Gert unser verwerfliches Tun bezeichnet, alles, was am Baum der Erkenntnis eingedenk der beiden Russen, die gestern das Wiener Becken beben ließen, noch oben ist.

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Doch irgendwann macht sich leise Melancholie breit … nur mehr 30 Kilometer … tops … dann isser vorbei, der Spass. Geschultert wird die Last der schweren Gedanken …

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… um auf Eisenstadt zuzupilgern – dem, nach Mariazell, zweiten großen Ziel der Reise. Mehrmals wurde ich unterwegs gefragt, warum ich ausgerechnet von Salzburg nach Sopron gehe. Eine wirklich gute Antwort darauf habe ich nicht. Vielleicht weil es bei der Planung im letzten Winter auf der Karte einfach gut aussah.

sa-soOder mir “Von Salz- nach Ödenburg” gefallen hat. Oder weil ich das Gefühl hatte, dass “Von Salzburg nach Eisenstadt” nicht annähernd so nach den 450 Kilometern dazwischen klingt, wie es “Von Salzburg nach Sopron” tut.

Irgendwo bei 430 Kilometern – ja, das ist wirklich ein seeehr langer Weingarten – öffnet sich der erste Blick auf die Hauptstadt …

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… und geschätzte 200.000 Rebstöcke später waren es tatsächlich 450 Kilometer.

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Und so blieben für den letzten Tag der Tour nur mehr rund 25 durchaus gemütliche Kilometer mit viel schönem Krautwerk links und rechts.

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Irgendwann, fast hätt ich’s übersehen …

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… ein Stein …

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… und nun war’s egal, wie lange ich nun noch bis in die Stadtmitte von Sopron brauche … völlig egal nämlich …

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… denn jetzt, nach diesem wohl einmaligen Saisonabschluss, habe ich alle Zeit der Welt.


Zu Teil I
Zu Teil II

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Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , Last modified: 6. März 2016
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